Alex: Michael, warum ist Wein dein Ding?

Michael: Ich komme aus Bad Dürkheim und da kommt man am Wein kaum vorbei. Wir haben zwar kein Weingut in der Familie, aber nachdem ich ein Studium der Sonderschulpädagogik erfolgreich abgebrochen habe, wollte ich draußen arbeiten, hab eine Winzerlehre gemacht, wurde anschließend zum Weinbautechniker ausgebildet und bin dann nach Mainz, der Liebe wegen. Mainz ist perfekt.

Alex: Nun sprichst du mit der Weinraumwohnung hippe Leute an, zeigst ihnen, dass Wein cool ist – heißt das umgekehrt, dass Wein eigentlich spießig ist?

Michael: Nein, es ging mir nur auf den Keks, dass sich alle auf denselben Kunden stürzen: Der feuchte Traum der Weinhändler ist der rosa Polohemden tragende Cayenne-Fahrer. Ich will aber lieber für den Typen da sein, der studiert oder sein Studium gerade abgeschlossen hat. Da fühle ich mich wohler damit.

(Foto: Weinraumwohnung)

Alex: Aber ist im Cayenne-Fahrer denn nicht mehr Potenzial, rein betriebswirtschaftlich gesehen?

Michael: Ich habe mal in Frankfurt für einen Weinhandel gearbeitet. Diese Anzugtypen sind einfach nicht meine Welt. Da musste ich mich extrem verstellen. Wenn ich denke „das ist ein geiler Wein“, dann will ich das auch genauso meinem Kunden sagen. Bei uns gibt es auch kein Fachchinesisch, keine typische Weinhändler-Atmo, die viele abschreckt. Ich frage die Leute, zu welcher Gelegenheit sie Wein trinken wollen. Ob beim romantischen Essen zu zweit, beim Filmeschauen an einem verregneten Sonntag oder auf einer Geburtstagsfeier. Dann empfehle ich den Leuten etwas. Wenn die Schwiegermutter zu Besuch kommt, dann bekommen sie gerne auch einen nicht so guten. (lacht)

Alex: Hehe. Ab welchem Preis bekommt man denn einen guten Wein bei dir im Laden?

Michael: Im Schnitt für 7,80 EUR, wir haben ein bodenständiges Preisniveau.

(Foto: Weinraumwohnung)

Alex: Ich habe Kumpels, die trinken fast nur Bier und andere hauptsächlich Wein – hat das was mit Sozialisierung zu tun oder steckt da noch mehr dahinter?

Michael: Hui, gute Frage. Das hat wohl zum einen mit der Region zu tun, in der man aufwächst, zum anderen mit dem Freundeskreis. Dann gibt’s aber auch Leute, die trinken zwanzig Jahre lang Bier und dann auf einmal Wein. Ich trinke beides.

Alex: Was bietest du Kunden an, die nicht so die großen Weintrinker sind und einfach mal was probieren wollen – quasi als Einsteigerwein?

Michael: Es gibt komplizierte Weine, die sind richtig anstrengend – nicht negativ gemeint. Und es gibt eben Easy-Drinking-Weine ohne große Ecken und Kanten, super für Einsteiger. Lecker ist beides. Und lecker ist ja immer eine ganz persönliche Wertung und keine allgemeingültige Beschreibung. Das entwickelt sich auch alles. Mit 20 kaufst du eine Flasche Wein für vielleicht zwei, drei Euro, wenn du 35 bist, gibst du acht Euro aus. Und mit 16 oder 17 trinkt man meistens süße Wein und ein paar Jahre später eher trocken.

(Foto: Weinraumwohnung)

Alex: Ist das die Regel, dass man trockener trinkt mit der Zeit?

Michael: Ja, meistens. Wobei manche von trocken wieder zu halbtrocken abdriften. Ein trockener Wein hat auch mehr Säure, ein halbtrockener ist runder, die Säure ist weniger präsent, der kratzt einfach nicht so. Ein Phänomen: Viele trinken nicht den Wein, den sie gerne trinken, sondern sie trinken das, was gesellschaftlich vermeintlich anerkannt ist: trocken! Blödsinn. Jeder soll das trinken, worauf er Lust hat. Es muss niemandem peinlich sein, einen halbtrockenen Wein zu bestellen. Es gibt richtig gute halbtrockene Weine. Aus diesem Grund hat man übrigens vor einigen Jahren die Bezeichnung „classic“ eingeführt: zwischen trocken und halbtrocken. Bei einem "Classic"-Wein schämen sich die Leute nicht, ihn zu bestellen - dachte man sich offenbar.

Alex: Wenn ich kein großer Weinprofi bin und im Supermarkt vor fünf riesigen Weinregalen stehe – woher soll ich wissen, welchen ich nehmen soll?

Michael: Also ganz generell kann man sagen, dass ein Wein unter etwa 4,50 EUR nicht spannend ist. Es gibt Ausnahmen, ein Wein unter drei Euro muss nicht schlecht sein. In großen Supermärkten gibt’s Beratung in der Weinabteilung.

Alex: Wann kann man von einem guten Wein sprechen? Kann man das am Preis festmachen, am Anbaugebiet, an der Rebsorte, am Weingut, an der Lagerungsart?

Michael: Schwierig, das allgemein zu sagen. Einen guten spanischen Rotwein kann man für vier bis sechs Euro haben. Für einen guten deutschen Rotwein muss man mindestens zwei, drei Euro mehr hinlegen.

Alex: Warum?

Michael: Wegen des Wetters.

(Foto: Weinraumwohnung)

Alex: Ist es richtig: je älter ein Wein, desto besser und teurer?

Michael: Ja, aber Weine können auch ihren Zenit überschreiten. Einen deutschen Weißwein sollte man spätestens nach zwei, drei Jahren trinken. Rotweine brauchen Zeit. Wenn ein Wein zu jung ist, schmeckt er pelzig. In zehn Jahren könnte der super sein.

Alex: Es gibt unter Weintrinkern die ABC-Regel: Anything but chardonnay – alles außer Chardonnay. Siehst du das auch so?

Michael: Nein, ich habe sogar letztens eine ABC-Weinprobe gemacht. Chardonnay gibt’s in jedem Weinbauland, aber die Rebsorte verliert an Profil – zu Unrecht. Ein Dornfelder oder Müller-Thurgauer hat auch keinen guten Ruf, aber auch da gibt’s abgefahrene Weine. Der Riesling hat auch den Mainstream-Ruf in Deutschland, dabei ist auch der extrem vielfältig. Und eine Scheurebe ist auch nicht immer süß. Also – keine Angst haben, nicht auf Pseudo-Regeln achten. Wenn man sich nicht sicher ist, einfach im Weinlokal fragen, ob man ein "Piffche" (0,1 l) probieren darf.

(Foto: Weinraumwohnung)

Alex: Man hört ja immer wieder: Weintrinker seien was Besseres, mit ihrem ganzen Getue: Etikett studieren, Farbe des Weines inspizieren, minutenlang am Wein riechen, Probeschluck nehmen, dann irgendwelche Aromen herausschmecken, es wird unglaublich viel gefachsimpelt – gehört dieses ganze Prozedere zum Weintrinken wirklich dazu?

Michael: Bei 'ner Verkostung gehört das Prozedere dazu, aber ist auch anstrengend. Man muss auch abschalten können. Im Restaurant würde ich niemanden damit nerven. Jeder muss wissen, welche Show er hinlegt!

Alex: Deine Weinproben sind schneller ausgebucht, als du sie online stellen kannst – vor allem von Studis und jungen Leuten – wie viel Prozedere gibt’s denn bei den Weinproben, die bei dir stattfinden?

Michael: Bei uns ist das ganz locker. Wir beten nichts runter, wir nudeln keine Themen durch. Im Sommer setzen wir uns raus an den Rhein. Bei uns heißt das ja auch nicht Weinprobe, sondern Weinraumabend.

(Foto: Weinraumwohnung)

Alex: Kann man bei dir auch online Wein bestellen?

Michael: Klar, hier.

Alex: Dein nächstes Projekt?

Michael: Ich bin dabei, eine eigene Weinkellerei aufzubauen. Gerade hab ich meinen ersten Riesling abgefüllt.

Alex: Michael, danke dir für das Interview, hau rein!

>>>

Bevor ich es vergesse: Die facebook-Seite der Weinraumwohnung sollte unbedingt geliked werden. Öhm, gerne die hier auch. Wenn ihr mögt. Dankeschönst!

>>>

Mehr heißer Scheiß aus Mainz? Hier geht's zu meinen Artikeln von Fuchs & Bente, dem N'Eis, dem Hubert, dem Schrebergarten, dem Burgerladen, der Weinraumwohnung, dem Möhren Milieu und der Kaffeekommune ... weitere folgen in Bälde!

Und hier bitte entlang zu einem weiteren Blog-Beitrag von mir zum Thema Wein: was man beachten sollte, wenn man seinen eigenen Wein mit ins Restaurant bringen möchte. Ja, das geht tatsächlich. ;-)

>>>

Die Weinraumwohnung ist in der Neubrunnenstr. 14 in Mainz und ist dienstags bis freitags von 11 bis 19:30 Uhr und samstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

(Foto: Weinraumwohnung)

0 Kommentare zu Wein doch - die Weinraumwohnung in Mainz

Ihr müsst euch anmelden um einen Kommentar abgeben zu können. Wenn ihr noch keinen Benutzeraccount habt, könnt ihr euch hier registrieren.