Alex: Hallo Herr Stein, Koch ist ein superstressiger Job, es herrschen sehr lange Arbeitszeiten, ein rauer Ton in der Küche, ganz viel Druck, reich wird man auch nicht – warum machen Sie es trotzdem?

Philipp Stein: Ich gebe zu, man muss schon verrückt sein. Irgendwann ist es ein Selbstverwirklichungsdrang. Ich bin früh reingewachsen, meine Eltern haben eine Gastronomie, Steins Traube in Finthen. Schon in der dritten Klasse habe ich im Restaurant mitgearbeitet. Das hat mir so viel Spaß gemacht, da ist nie was anderes für mich in Frage gekommen. Ich hatte auch nie Angst vor langen Arbeitszeiten und zu viel Arbeit, ich kannte nie was anderes. Ich arbeite im Moment 15 bis 17 Stunden am Tag. All das hat zur Folge, dass die Leute, die in der Küche arbeiten, alle unter 30 sind. Den Maître mit den grauen Haaren, den gibt’s nur im Film. (lacht)

Alex: Was machen Sie denn als Ausgleich in der wenigen Freizeit?

Philipp Stein: Sie werden lachen: essen gehen. Auch Sternerestaurants testen. Gucken, wie die anderen kochen.

Alex: Wo zum Beispiel?

Philipp Stein: In Jugenheim im Weedenhof, im Bootshaus, in der Ente.

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Französische Gänseleber mit Trockenaprikosen, Madeira und Brioche (Foto: Torsten Zimmermann)

Alex: Sie haben auf den Luxuskreuzfahrtschiffen MS Europa und MS Europa 2 gekocht – wie war das?

Philipp Stein: Genial. Die guten Produkte kommen hier nicht zu einem, sondern man fährt selbst direkt zu den guten Produkten hin. Man steuert eine Insel an und holt die Langusten ab. Die kommen dann gleich auf den Grill. Schwertfisch, Tintenfisch, Mangos, Bananen, alles frisch! Waren natürlich sehr lange Arbeitszeiten. 12 Stunden waren normal, an Silvester waren’s über 19. Ein halbes Jahr habe ich durchgearbeitet ohne einen einzigen Tag Pause.

Alex: Sie haben auch schon in anderen Sternerestaurants wie der Ente und im Sonora gearbeitet. Aber jetzt sind Sie mit gerade einmal 24 seit ein paar Monaten selbst Küchenchef im Sternerestaurant – was hat sich damit für Sie geändert?

Philipp Stein: Am Anfang war ich ehrlich gesagt froh, wenn die Gäste wieder storniert haben, weil ich so aufgeregt war. Mittlerweile freue ich mich über ein volles Haus. Ich habe einen sehr viel stärkeren Bezug zu Lebensmitteln bekommen und denke sehr viel betriebswirtschaftlicher, als ob es mein eigener Laden wäre.

Mascarponeravioli in Schnittlauchschaum mit Wurzelspeck und Albatrüffel (Foto: Torsten Zimmermann)

Alex: Woher bekommen Sie Ihre Ideen für die Gerichte?

Philipp Stein: Vieles ist Erfahrung, dann sehe ich Gerichte woanders, die ich dann verändere. Kochbücher sind eine schöne Inspiration, aber ich nehme nie etwas eins zu eins aus Büchern heraus.

Alex: Wenn ein Gast sagt, kochen Sie mir was Sie wollen, was gibt’s dann?

Philipp Stein: Heute wäre es frischer Fisch, gestern ein Rindersteak. Auf jeden Fall das beste Produkt, das ich gerade da habe. Mein neuestes Gericht gerade ist ein Eclaire von der Gänseleber.

Alex: Was ist Ihr Lieblingsessen zu Hause?

Philipp Stein: Schnitzel oder Geschnetzeltes. Was Bodenständiges. Einfach was Gescheites auf dem Teller haben.

Alex: Nach der Wallraff-Doku über die Ekel-Zustände bei Burger King: Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal dort?

Philipp Stein: Gestern Abend.

Alex: Okay?

Philipp Stein: Klar. Hab die Doku gesehen. Aber ich finde, die Medien übertreiben oft. Wir haben auch schon Büchsen mit einem Messer geöffnet.

Alex: Wie definieren Sie gutes Essen?

Philipp Stein: Es muss Hand und Fuß haben. Ein gutes Grundprodukt, eher klassisch, es müssen keine tausend Komponenten sein. Das Wasser muss einem im Mund zusammenlaufen. Eine ordentliche Portion muss ein sein. Es geht ja darum ein Grundbedürfnis zu stillen, damit muss man halt etwas spielen. Ein bisschen Shishi gehört halt dazu.

Konfierter Kabeljau mit Creme Fraiche, Schnittlauchöl, gelierter Consommé und Avrugakaviar (Foto: Torsten Zimmermann)

Alex: Viele Menschen können mit Gourmetessen nicht so viel anfangen. Was sagen Sie denen, warum sie für ein Menü inkl. Wein, Wasser und Espresso an einem Abend zu zweit 250 Euro aufwärts ausgeben sollen?

Philipp Stein: Man muss natürlich ein Grundverständnis für gutes Essen haben. Das ist am einfachsten, wenn man es seit der Kindheit nicht anders kennt und seine Erfahrungen gemacht hat. Ansonsten einfach mal ausprobieren, es ist ein echtes Erlebnis. Und zum Thema „teuer“: ein bretonischer Hummer kostet mich im Einkauf 30 Euro. Kalkulationsfaktor 4, das heißt, ich müsste 120 Euro für das Gericht nehmen, damit wir daran verdienen. Das zahlt in Deutschland niemand! Also verkaufen wir den für 62 Euro. Wir legen also ordentlich drauf und müssen das Geld woanders wieder rausnehmen.

Alex: Warum funktioniert das in Paris, dass die Leute für eine Vorspeise über 100 Euro ausgeben – und hier nicht?

Philipp Stein: Die haben dort offenbar ein anderes Verständnis von Essen. Es gibt viele, die sparen wochenlang auf einen Abend.

Filet und Backe vom irischen Weideochsen auf Artischockenragout, Trevigiano und Sauce Riche (Foto: Torsten Zimmermann)

Alex: Frank Rosin sagte gerade in einem Interview, dass deutsche Sterneküche zu teuer sei – er meint, besser günstiger und viele Gäste statt teuer und leerer Laden – was ist da dran Ihrer Meinung nach?

Philipp Stein: Er hat völlig Recht. Nur: viele erwarten im Sternerestaurant Premiumprodukte, und die kosten halt richtig viel Geld im Einkauf. Wir können schlecht ein brasilianisches Rumpsteak oder Zuchtfisch servieren. Die Gäste erwarten Hummer und wilden Fisch.

Alex: Viele sagen: es geht im Sternerestaurant einfach zu steif zu – was sagen Sie denen?

Philipp Stein: Das ist heute längst nicht mehr so. Die Kunst eines guten Service ist ja, sich auf jeden Gast einzustellen. Wer locker reinkommt, dem begegnen wir auch locker.

Alex: Was war der außergewöhnlichste Sonderwunsch, den ein Gast jemals hatte?

Philipp Stein: Eine Dame hat der Küche mal aufgemalt, wie das Essen auf dem Teller angeordnet sein soll. Ein anderer Gast hat ein Rinderfilet bestellt und den Teller unter den Tisch geschoben – für seinen Hund!

Alex: Wenn jemand Ketchup zu seinem 60-Euro-Steak bestellt, machen Sie’s?

Philipp Stein: Klar, der Gast muss sich wohlfühlen und zufrieden nach Hause gehen. Gerne auch mit Ketchup - in dem Fall rühre ich für den Gast natürlich eigenen Ketchup an. Ich brate auch Rindfleisch durch, auch wenn mir das schon weh tut.

Alex: Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass man Platzverweis bekommt, wenn man im Sternerestaurant den Partner vom Teller probieren lässt. Was ist da dran?

Philipp Stein: Ja, man hört es immer wieder. Ich hätte überhaupt kein Problem damit, wenn man beim anderen vom Teller nascht. Ist irgendwie eine Frauensache. ;) Wie gesagt, es soll nicht steif zugehen. Ein Gast sagte mal nach dem Essen: „Fuck, war das lecker!“ Das war das beste Kompliment für mich! Fand ich super!

Erdnusstörtchen mit Thaibasilikumeis, Limettensabayon und Banane (Foto: Torsten Zimmermann)

Alex: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Philipp Stein: Erst mal weiterhin hier, so viele Sterne wie möglich erkochen und irgendwann den Laden von meinen Eltern übernehmen.

Alex: Fernsehkochkarriere – wäre das was?

Philipp Stein: Mit Sicherheit. Hab mal mit Ole Plogstedt für die Toten Hosen gekocht, das ist ein cooler Typ! Aber denke, da bin ich nicht extrovertiert genug.

Alex: Herr Stein, vielen Dank für das Interview!

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Anschrift: Favorite Restaurant, Karl-Weiser-Str. 1, 55131 Mainz

Öffnungszeiten: Mi – So 12 – 15 h und 19 – 22 h

Philipp Stein mit seinem Ausbilder Dieter Müller (Foto: Torsten Zimmermann)

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